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Ausgabe 02 | 2024: Bedrohte Vielfalt
Verbandsrundschau
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Second Hand und Vielfalt in Ulm

Die Neue Arbeit gGmbH ist ein eigenständiges und gemeinnütziges Sozialunternehmen im Raum Ulm. Gegründet 1994 als Neue Arbeit e.V. ist sie seit dreißig Jahren als Träger von verschiedenen Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekten in Ulm und Neu-Ulm sowie im Alb-Donau-Kreis aktiv. Ein Gastbeitrag.

Die Neue Arbeit gGmbH ist ein eigenständiges und gemeinnütziges Sozialunternehmen im Raum Ulm. Gegründet 1994 als Neue Arbeit e.V. ist sie seit dreißig Jahren als Träger von verschiedenen Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekten in Ulm und Neu-Ulm sowie im Alb-Donau-Kreis aktiv.

In Zusammenarbeit mit den örtlichen Jobcentern bieten wir Arbeits- und Qualifizierungsmaßnahmen an. Zudem sind wir in der Projektarbeit aktiv und waren in den vergangenen Jahren Träger für mehrere Bundes-, Landes- und Europa-Projekte. Die Neue Arbeit ist eine Tochtergesellschaft der PSD - Paritätischen Sozialdienste Heilbronn. Zudem sind wir Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband und im Kreisverband Ulm/Alb-Donau und im Regionalverbund Alb-Donau-Riß aktiv.

In der Bevölkerung ist die Neue Arbeit insbesondere durch die beiden Secondhandläden bekannt, die wir in Ulm in der Büchsengasse und in Neu-Ulm in der Memminger Straße betreiben. Hier bieten wir gut erhaltene Kleidungsstücke und Haushaltswaren sowie alle Arten von Dingen des täglichen Lebens an. Damit vereinen wir die Themen Arbeit und Soziales sowie Nachhaltigkeit und Ökologie.

Eine Besonderheit ist unser Kommissionssystem. Kunden können bei uns ein Konto eröffnen und Waren in Kommission geben, Kleidungsstücke der Saison, Schuhe, Taschen, Accessoires oder andere Dinge. Der Verkaufspreis wird an der Annahme zusammen mit einem Mitarbeiter bzw. einer Mitarbeiterin festgelegt. Im Anschluss werden die Stücke von uns in ein Warenwirtschaftssystem aufgenommen, etikettiert, aufgebügelt und vier Wochen lang im Laden ausgestellt. Bei Verkauf erhalten die Kunden einen Teil des Erlöses. Rund 4.000 Personen haben aktuell bei uns eine Kommissionskarte und geben regelmäßig Waren ab.

Der Umgang mit Gebrauchtwaren und deren Wiederverkauf ist - entgegen der allgemeinen Auffassung - sehr aufwendig und kostenintensiv. Allerdings schafft er für viele Menschen auch die Möglichkeit, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Aktuell sind rund 60 Personen in den Secondhandläden der Neuen Arbeit tätig. Diese verteilen sich auf Festangestellte in Vollzeit oder Teilzeit, Minijobber, Ehrenamtliche oder Teilnehmende einer geförderten Beschäftigungsmaßnahme. Zudem haben wir über das Jahr immer wieder Schülerpraktikant*innen, Ferienjobber*innen oder Sozialstundenleistende.

Das Besondere an den Secondhandläden der Neuen Arbeit sind die vielen Herkunftsländer, aus denen unsere Mitarbeitenden und unsere Kundschaft stammen. Daher findet man in den Läden einen bunten Mix aus unterschiedlichen Kulturen und Sprachen, die es jedoch alle schaffen, sich zu verständigen und zusammenzuarbeiten. Gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stellen wir uns entschieden und ist in unseren Läden auch kein Thema. Wir begegnen allen Menschen mit Respekt und Wertschätzung, indem wir für eine Atmosphäre von Offenheit und Vertrauen sorgen. Im täglichen Miteinander sind für uns gegenseitiger Respekt, eigenverantwortliches Handeln und Engagement selbstverständlich.

Betrieb der Secondhandläden wird zunehmend schwieriger

Steigende Personalkosten, aber auch Preissteigerungen bei Energie, Mieten oder Material wiegen schwer. Die gestiegenen Kosten auf die Waren umlegen, ist kaum möglich. Insbesondere bei Kleidungsstücken sind die Preise in den vergangenen Jahren durch das Aufkommen von Textil-Discountern und Onlineplattformen sowie durch die „Fast-Fashion“ stark gesunken. Warum sollte man also ein T-Shirt im Secondhand kaufen, wenn es bei einem Discounter für nahezu den gleichen Preis als Neuware zu haben ist? Zugleich sind wir auch bestrebt, unsere Waren möglichst günstig zu halten, da immer mehr Menschen weniger Geld zur Verfügung haben und auf preisgünstige Angebote zwingend angewiesen sind.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Anzahl der Personen, die eine Förderung über die Jobcenter erhalten, zurückgeht. Kürzungen im Sozialbereich und die begrenzten Budgets der Jobcenter führen dazu, dass immer weniger Langzeitarbeitslose in eine Arbeitsgelegenheit oder eine 16i-Maßnahme vermittelt werden, sodass uns helfende Hände fehlen.

Zugleich kritisieren wir, dass bei Migrant*innen und Schutzsuchenden der Fokus zu sehr auf den Sprachkursen liegt. Aus unserer Sicht wäre es sinnvoller, Personen vom ersten Tag an eine Arbeit oder eine geförderte Beschäftigung zu bieten und den Spracherwerb durch einen Abendkurs begleitend anzubieten. Hier bieten Maßnahmen wie Arbeitsgelegenheiten ein adäquates Mittel, um Personen an den Arbeitsmarkt heranzuführen und zu qualifizieren. Zudem würden Schutzsuchende schneller in Kontakt mit der Bevölkerung kommen, könnten ihr eigenes Geld verdienen und ein selbstbestimmtes Leben führen.

Neben den Secondhandläden ist die Neue Arbeit zudem in der Flüchtlingshilfe aktiv. Seit 2017 sind wir im Projekt Erstorientierungskurse. Die Erstorientierungskurse sind niederschwellige Angebote für Personen, die (noch) keinen Zugang zum Integrationskurs haben. In diesen Kursen erhalten Asylbewerber*innen wesentliche Informationen über das Leben in Deutschland und erwerben gleichzeitig erste Sprachkenntnisse.

Seit 2023 bietet die Neue Arbeit in Ulm die bundesweit ersten Erstorientierungskurse an, die sich speziell an Personen mit Traumata und psychischen Erkrankungen richten. Die Teilnehmer erhalten einen reduzierten Kurs mit 12 UE pro Woche und erwerben dadurch nicht nur grundlegende Sprachkenntnisse, sondern erhalten auch eine Tagesstruktur, die für Menschen mit psychischen Erkrankungen sehr wichtig ist. Neben dem Kurs sind die Teilnehmenden in Betreuung bzw. psychologischer Behandlung bei einem Träger, beim Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm, beim Fachdienst Migration und Behinderung des Diakonischen Werks Ulm oder der EUTB der Lebenshilfe Donau-Iller. Zwei Erstorientierungskurse für Personen mit Traumata und psychischen Erkrankungen wurden bereits erfolgreich durchgeführt, ein dritter wird Mitte 2024 starten.

Dr. Oliver Riegg ist Regionalleiter Alb-Donau-Riß beim Paritätischen Baden-Württemberg

Weitere Infos

Homepage von Neue Arbeit Ulm

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