Zum Hauptinhalt springen
hier klicken um zum Inhalt zu springen
Ausgabe 02 | 2024: Bedrohte Vielfalt
Schwerpunkt
Bunt statt Braun - auch und besonders in der Kita wichtig! (Symbolbild)
Kindertagespflege gemeinsam demokratisch gestalten

Gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung in der Kindertagespflege

Wenn Kindertagespflegepersonen rechtsextreme Einstellungen vorweisen oder sogar aktive Neonazis sind, wird es für die Einrichtungen kompliziert. Ein Projekt des Bundesverbands für Kindertagespflege hilft. Ein Gastbeitrag.

Ende 2022 wurde in verschiedenen Medien über einen juristischen Fall im Landkreis Ludwigslust-Parchim berichtet: Eine Kindertagespflegeperson war erfolgreich rechtlich dagegen vorgegangen, dass das Jugendamt ihre Pflegeerlaubnis nicht erneuern wollte, weil ihr Ehemann aktives Mitglied in der NPD war. Im Zuge der Verhandlung stellte sich heraus, dass die Klägerin selbst an zahlreichen Veranstaltungen der rechtsextremen Szene teilgenommen hatte. Trotzdem entschied das Verwaltungsgericht, dass das Jugendamt unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu über die Pflegeerlaubnis entscheiden muss. Die Argumente des Jugendamtes seien nicht ausreichend gewesen, um die Erteilung einer Pflegeerlaubnis abzulehnen.

Diesen Fall haben wir beim Bundesverband für Kindertagespflege zum Anlass genommen, Angebote zur Rechtsextremismusprävention und Antidiskriminierung zu machen. Dazu wurde unser Projekt „Demokratie und Partizipation in der Kindertagespflege“ (siehe Kasten) kurzzeitig erweitert. Eine wichtige Grundlage war für uns das Kinderrecht auf Nicht-Diskriminierung (Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention). Wir haben unter anderem Fachberater*innen zu ihren Erfahrungen mit Rechtsextremismus und Diskriminierung befragt. Einige Ergebnisse dieser Befragung und unsere Projektmaßnahmen stellen wir in diesem Artikel vor.

Herausforderungen

Unsere Befragung im Herbst 2023 hat in kurzer Zeit vergleichsweise viele Rückmeldungen bekommen: 84 Personen haben den Fragebogen ausgefüllt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, liefern aber trotzdem gute Hinweise.

Laut eigener Einschätzung kamen 31 Fachberater*innen bereits in Kontakt mit Rechtsextremismus – sei es in der Beratung von Eltern (11) oder Kindertagespflegepersonen (13), in der Zusammenarbeit mit Kolleg*innen (14), in Fortbildungen und Qualifizierungen von Kindertagespflegepersonen (11). 15 Fachberater*innen waren sich dazu nicht sicher. Die Personen, die nach eigener Einschätzung schon mit rechtsextremen Personen (Kindertagespflegepersonen, Eltern, Kolleg*innen) in Kontakt gekommen sind, arbeiten in Nordrhein-Westfalen (12), Baden-Württemberg (6), Berlin (4), Niedersachsen (3), Bayern (2), Sachsen, Brandenburg, Saarland und Hessen (jeweils 1). Nur sieben Personen gaben an, dass Jugendämter im Bereich der Rechtsextremismusprävention gut aufgestellt sind.

Häufiger als über Rechtsextremismus wurde von Diskriminierung berichtet. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (43) gab an, diskriminierendes Verhalten oder Vorurteile bei Kindertagespflegepersonen bemerkt zu haben, mehr als ein Viertel (26) beobachtete es bei Fachberater*innen.

Das Projekt „Demokratie und Partizipation in der Kindertagespflege“

Im Projekt „Demokratie und Partizipation in der Kindertagespflege” des Bundesverbandes für Kindertagespflege e.V. geht es darum, auch den jüngsten Kindern bereits Mitbestimmung zu ermöglichen und das System Kindertagespflege insgesamt demokratisch und diskriminierungskritisch zu gestalten.

Die Fortbildungen und die vielen verschiedenen Arbeitshilfen des Projektes helfen dabei. Fachberater*innen und Referent*innen finden z.B. hilfreiche Anregungen und Methodenvorschläge, um eigene Blended-Learning-Angebote zum Thema Partizipation zu erstellen.

Das Projekt gehört zu „Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung”, einem Projekt des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Gemeinsam haben wir verschiedene E-Learning-Kurse erarbeitet, die auf der Plattform www.fruehe-demokratiebildung.de kostenlos online zugänglich sind.

Mehr Informationen zum Projekt und den Angeboten finden Sie unter www.bvktp.de/demokratie.

Wir fragten Fachberater*innen nach ihren Erfahrungen, ob Betreuungsplätze von Kindertagespflegepersonen aus bestimmten Gründen nicht an Familien vergeben wurden. Nur acht der 84 Befragten beantworteten diese Frage mit „nein“. Häufig wurden ein besonderer Förderbedarf des Kindes (32), eine andere Familiensprache als Deutsch (20) oder religiöse Nahrungsvorschriften („halal oder koscher“; 16 Nennungen) als Grund genannt.

Die Befragung bestätigt, dass Fachberater*innen, Referent*innen und Kindertagespflegepersonen Fortbildungen und Beratung brauchen, um Rechtsextremismus zu erkennen und vorzubeugen. Fortbildungen sollten aber auch alle Themen rund um Diskriminierung abdecken - insbesondere in Hinblick auf Kinder mit Behinderungen. Außerdem muss es bessere Unterstützung für Kindertagespflegepersonen geben, damit sie sich zutrauen können, Kinder mit besonderem Förderbedarf aufzunehmen.

Angebote

Passend zu den Befragungsergebnissen gab es ein hohes Interesse an unserem Online-Fachtag für Fachberater*innen und Referent*innen im Dezember 2023, der Vorträge und Workshops rund um die Themen Rechtsextremismusprävention und Antidiskriminierung umfasste.

Auch unsere zweitägige Fortbildung für Fachberater*innen „Kindertagespflege demokratisch und diskriminierungskritisch gestalten“ hatte eine hohe Resonanz und wurde sehr gut bewertet. Gemeinsam mit Eva Prausner („Eltern Stärken“) haben wir in der Fortbildung unter anderem Fälle besprochen, die die Fachberater*innen mitgebracht haben. Eine Teilnehmerin berichtete zum Beispiel, dass sich in ihrem Landkreis immer mehr Rechtsextreme ansiedeln. Eine andere berichtete, dass eine Kindertagespflegeperson keine Eltern und Kinder in ihren Räumen haben möchte, die kein Schweinefleisch essen. Zusammen haben wir erarbeitet, wie die Fachberater*innen in solchen Fällen handeln können.

Mit vielen Tipps und Hinweise rund um die Themen Rechtsextremismusprävention und Antidiskriminierung bietet unsere Schwerpunktseite ein breites Informationsangebot für Fachberater*innen im Arbeitsbereich Kindertagespflege (siehe Kasten). Außerdem haben wir eine Handreichung erarbeitet, worin Fachberater*innen Möglichkeiten aufgezeigt werden, gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung vorzugehen.

Wir haben viele gute Rückmeldungen zu den Projektaktivitäten erhalten: Einige Befragte sagten, die Befragung habe sie sensibilisiert und sie würden sich nun intensiver mit den Themen beschäftigen. Eine Fachberaterin schrieb: „Ich finde es ausgesprochen gut, dass der Bundesverband sich frühzeitig des Themas annimmt, denn ich befürchte, dass wir uns erst am Anfang der Radikalisierung nach rechts befinden.“

Teresa Lehmann und Claudia Ullrich-Runge arbeiten beim Bundesverband für Kindertagespflege

Paritätisches Projekt

Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung

Die meisten Kinder in Deutschland besuchen eine KiTa und treffen dort viele unterschiedliche Menschen. In dieser neuen Lebenswelt kommen sie mit neuen gesellschaftlichen Regeln und veränderten Machtverhältnissen in Berührung. Die KiTa bietet damit vielfältige Möglichkeiten, Demokratie erfahrbar und erlebbar zu machen.

Hier setzt das Paritätische Informations- und Qualifizierungsangebot „Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung“ an. Es richtet sich an pädagogische Fachkräfte, Tagespflegepersonen, Fachberatungen, Kitaleitungen sowie Fort- und Weiterbildner*innen.

Angeboten werden kostenlos:

  • Arbeitshilfen und Poster zu den Themen Partizipation von Kindern und Eltern, Kinderrechte und Beschwerden. Diese können im Webshop heruntergeladen oder bestellt werden.
  • E-Learning-Angebote auf der Lernplattform unterwww.fruehe-demokratiebildung.de. Hier finden Sie Online-Lernangebote zu den Themen:
    • „Partizipation im Alltag“,
    • „Kinderrechte im Alltag“,
    • „Beschwerdeverfahren für Kinder in der Kita“,
    • „Beschwerdemöglichkeiten für Kinder in der Kindertagespflege“
  • Praxis-Dialoge (Zoom-Veranstaltung) zu den Alltagsthemen der Partizipation in der KiTa.

Das Projekt des Paritätischen Gesamtverbands wird in Kooperation mit dem Paritätischen Landesverband Berlin und dem Bundesverband für Kindertagespflege umgesetzt.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.kita.paritaet.org

Inhaltsverzeichnis
zurück zum Seitenanfang